Die Fürstenkuhle

Die Fürstenkuhle (verballhornt aus Voskenkuhle = Fuchsloch) ist ein landschaftlich reizvoller Rest am Nordrand des inzwischen kultivierten „Weißen Venn zwischen Coesfeld und Velen“. Es wurde auch Großes Venn genannt, denn es war noch vor 70 Jahren das größte Hochmoor Westfalens, ähnlich den Geestmooren des Emslandes und der Dümmer-Niederung. Es lag (im heutigen Bezug) nördlich der B67n zwischen der A30 und dem Heubach. Es bildet als Quellgebiet von Heubach, Bocholter Aa/Berkel die Wasserscheide zwischen Lippe/Rhein und der Issel, in NL Ijssel genannt. Der maschinelle Torfabbau begann um 1900 im Nordteil, ausgehend von der (Streu-)Torffabrik Klasmann im heutigen Ortsteil Hochmoor von Gescher. Im Südteil wurde am Rand in bäuerlichen Parzellen Brenntorf für den Eigenbedarf gestochen, die zentrale Fläche war noch eine entwässerte und damit verheidete, baumfreie Fläche. In den aufgelassenen Torfstichen konnten sich Hochmoor-Gewässer regenerieren. Die Tierwelt dieses Moorteils wurde (zusammen mit zwei Emsland-Hochmooren) im Rahmen einer Doktorarbeit an der Universität Münster beispielhaft untersucht (PEUS 1928) Die Hochmoorfläche muss zu der Zeit so ähnlich ausgesehen haben wie das NSG Stemmer Moor in der Dümmer-Niederung von NRW heute. Ziegenmelker (Brut noch 1954: RUNGE 1982), Birkhuhn, Großer Brachvogel (jetzt begünstigt im Umfeld vom Feuchtwiesen-Programm) waren damals Charakterarten im Weißen Venn, nicht aber der Goldregenpfeifer, der auf die Emslandmoore beschränkt war. Unter den Libellen waren die Arten flutender Torfmoos-Rasen beachtlich, nämlich die Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia) und die Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica). Ein Paarungsrad der letzteren 1926 war lange Zeit der einzige Nachweis der Art für die Westfälische Bucht (GRIES & OONK 1975). Das Hochmoor, sein Abbau und die Moor-Kultivierung sind in einem Torfmuseum des Heimatvereins in der alten Dorfschule Gescher Hochmoor hervorragend dokumentiert; ein Besuch lohnt sich!

Das Gebiet der Fürstenkuhle gehörte bis zur Kreisreform vor gut 30 Jahren mit der Stadt Gescher zum (Alt )Kreis Coesfeld. Die Fürstenkuhle wurde 1942 unter Naturschutz gestellt. Dabei hat auch der Kreis Coesfeld zum Ankauf des Gebietes beigetragen (RUNGE 1982). Ein Bericht über die Nachkriegsentwicklung mit Schwerpunkt auf dem NSG Fürstenkuhle erschien im Kiebitz, der früheren Zeitschrift des NABU Coesfeld (MÜHLENKAMP u.a. 1998, eine Schülerarbeit aus Coesfeld im Rahmen von „Jugend forscht“). Als NSG ausgewiesen wurde später auch das Kuhlenvenn, ein Flachmoor-Ausläufer des Weißen Venns unweit der Fürstenkuhle, mit einem zwischenzeitlich entstandenen Baggersee als Kern, wertvoll als Rastgebiet für Wasservögel. Im Rahmen des Feuchtwiesen-Programms NRW wurde in den 80ern das umliegende Grünland dieses Baggersees ebenso wie Grünland im Südteil des ehemaligen Weißen Venns (NSG Heubach-Wiesen) gestaltet, wieder gewonnene Heimat für Feuchtwiesen-Vögel (wie den Großen Brachvogel). Der NABU Coesfeld setzt sich für diese Gebiete ein und stellt sie auch der naturverbundenen Bevölkerung vor. Die eigentliche Fürstenkuhle („grosser Weiher“) liegt in einem pfeifengrasreichen Birken-Bruchwald mit ingestreuten Pfeifengras-Freiflächen. Sein langer, knotenloser Blütenstengel wurde früher (als Draht auf dem Lande noch rar war) zum Reinigen der da-mals langschäftigen Tabakpfeifen genutzt.

Im Hochmoor ist das Pfeifengras Störungszeiger, zum Beispiel für Entwässerungen oder Abtorfungen. In der eigentlichen Fürstenkuhle („großer Weiher“) staut sich das Regenwasser über einem undurchlässigen Untergrund. Der Weiher ist wie ein Hochmoor allein vom Regenwasser abhängig, hat aber im Weiher wegen des früheren Torfstechens nur einen dünnen Torfgrund. Seine Waldkulisse erinnert mit eingebrachten Kiefern an märkische Fenns. Sie werden als Fremdlinge vom Naturschutz zurückgenommen. Das schafft Platz für Feuchtheiden, in die die Fürstenkuhle früher eingebettet war. Gelungen ist auch die Regeneration eines Heidefleckens vor dem Hochwald durch kontrollierte Brandrodung. In den geschlossenen Torfmoos-Schwingrasen zwischen Wald und offenem Wasser bilden Glocken- und Rosmarin-Heide flache Bulten, dort blüht auch der Sonnentau. Nur noch wechselhaft, oft nur kleinräumig ausgebildet sind im Frühsommer die weißen Fruchtstände vom Wollgras. In sommerlichen Trockenphasen werden ausgedehnte Torfmoosflächen weiß, Problemzeiger für die in jüngerer Zeit verschiedentlich unter das Hochmoor-Minimum gesunkenen Niederschläge. Der Weiher selbst ist ein Beispiel für einen schleichenden Moorweiher-Ruin. Die spezifische Hochmoor-Vegetation endet jetzt nämlich an der Wassergrenze, flutende Schwingrasen sind verschwunden. Noch 1978 wurden große Teile der Wasserfläche von Flutrasen der Zwiebelbinse (Juncus bulbosus), durchsetzt von flutenden Torfmoosen, eingenommen (WITTIG 1980). Mit diesen Flutrasen verschwand auch die Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica). Sie wurde in der Fürstenkuhle zuletzt durch VORHOLT 1985 (mit Fotobeleg, mdl. Mitt.) nachgewiesen und ist aktuell im Gebiet, auch im Kreis Coesfeld insgesamt verschollen. Maßgeblich für das Verschwinden der Flutrasen sind Vertritt durch Freizeit-Aktivitäten, insbesondere durch frei laufende große Hunde, in Verbindung mit Fraßschäden durch den Bisam, aber auch durch rastende/brütende Entenvögel (wie Kanadagans). Der Bisam hatte zeitweilig seinen Bau in einem der Pfeifengras-Bulte im Wasser. Flutende Torfmoose leiden vor allem mechanisch durch die Schwimmbewegungen von Bisam, Hunden und Wasservögeln. Ende der 90er entstanden Säume aus dem mechanisch etwas robusteren Sumpfried. Sie reichten für einzelne gefährdete Moor- und Heideweiherlibellen (wie Speer- und Mond-Azurjungfer), nicht aber für die einst häufigen Moosjungfern. Inzwischen sind auch diese Riedsäume nahezu verschwunden. Unter den Libellen dominieren nunmehr Allerwelts-Arten des offenen Feingrundes (wie Großer Blaupfeil, Vierfleck) und von schütterer Vegetation (wie Becher-Azurjungfer). Insgesamt wurden an der Fürstenkuhle 32 Libellenarten (davon 10 auf der Roten Liste für die Westfälische Bucht) nachgewiesen, an anderen Kleingewässern des NSG weitere drei Arten (nur dort zeitweilig bodenständig die Große Moosjungfer, auch ein Bisam-Opfer), zusammen mit vier „Altfunden“ aus dem Weißen Venn vor über 50 Jahren ergeben sich insgesamt beachtliche 39 Libellenarten. – Nicht nur Libellen sind an der Fürstenkuhle zu beobachten. Der Baumfalke kommt gelegentlich zur Großlibellenjagd, auf dem Weiher haben Reiherente und Kanadagans gebrütet, die Nilgans machte Anstalten dazu. Die scheue Kreuzotter dürfte die Eidechsen jagen. Zwischen dem Uferried bilden des Kleinen Wasserfrosches, typisch für Heideweiher, Laichgruppen. Sie sind dann gut kenntlich an dem leuchtenden Gelb der Iris und am Kopf. Auch der Moorfrosch (mit seinen blauen ist anzutreffen (Details bei GLANDT u.a. 1990, hier auch Hinweise auf Naturschutz-Maßnahmen im Umfeld wie Abfluss-Stau, Renaturierung eines Heideweihers im Grünland, Schutzzonen). Die Fürstenkuhle ist nicht nur wertvoll als Erinnerung an das vom Menschen vernichtete Weiße Venn, sondern in seiner Eigenart ein spannendes Kleinod, das alle Anstrengungen zu seinem Schutz lohnt.

Quelle:

NABU (Naturschutzbund Deutschland), Kreisverbände im Münsterland,
c/o NABU-Naturschutzstation Münsterland e.V.
„Naturzeit im Münsterland – Ausgabe 2/2006 – Nr. 6“
Prof. Dr. Eberhard Schmidt

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